Peinlich wirkt es, wenn das Familienfreundlichkeitssiegel ausgerechnet jenen überreicht wird, die ja ausdrücklich dazu geschaffen sind. Wenn der Vorarlberger Familienverband etwa das Siegel erhält, wird jeder denken "No-na".
Familienfreundlichkeit wird durch eine bunte Liste von Bewertungskriterien festgestellt. Neben vielem Selbstverständlichem und Leerformeln, sind so "wichtige" Punkte wie der vergünstigte Personaleinkauf in der eigenen Firma als besondere familienpolitische Leistungen.
Familienfreundlich ist anders. Deutlich wird die mangelnde Familien- und Frauenförderung der Politik schon bei den Arbeitsplatzkriterien: Jobsharing, Teilzeitarbeit, Telearbeit und Heimarbeit gelten als "familienfreundlich". Da stellen sich einem die Haare auf. Familienfreundlichkeit ist hier eine Kategorie des Verzichts auf einen Vollarbeitsplatz, ist hier ein Verzicht auf angemessene Versorgung im Alter, ist hier Verzicht auf Karriere und beruflichen Erfolg.
Familienunfreundlicher öffentlicher Rahmen. Statt Öffnungs- und Betreuungszeiten von Schulen, Kindergärten, statt öffentliche Verkehrsmittel den Bedürfnissen von Menschen und Betrieben generell anzupassen, wird von familienfreundlichen Betrieben verlangt:
"Flexible Arbeitszeitmodelle, die sowohl auf die familiäre Situation als auch auf die vorhandene Infrastruktur Rücksicht nehmen (z. B. Abstimmung der Arbeitszeiten mit den Zeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen und den Fahrzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel, Zeitkonten, Blockzeiten, Schichtmodelle)".Männersache & Frauenarbeit. Das Hauptproblem wird aber sichtbar wenn man die öffentlich-rechtlichen Unternehmen, die ausgezeichnet wurden, näher anschaut, dann sieht man das generelle Problem. Wobei es ja geradezu erschreckend ist, dass man in Vorarlberg öffentlich-rechtliche Institutionen als familienfreundlich auszeichnen muss. Man würde meinen, dass in einem Land das täglich die Familie als ideologisches Muster im Munde führt, alle öffentlichen Institutionen per se familienfreundlich geführt werden. Eigentlich müsste man nicht diese Betriebe auszeichnen sondern den nicht ausgezeichneten öffentlichen Unternehmen auf die Finger schauen. Aber zurück zu dem Problem: Die Beschäftigten dieser familienfreundlichen Betriebe sind zum zwei Dritteln weiblich, die Führung ist jedoch immer männlich.
Frauenarbeit = Carearbeit. Dasselbe gilt auch für die Auszeichnungskategorie "Non-Profit-Unternehmen". In der Regel sind es öffentliche Unternehmen die nur aus rechtlichen Gründen ausgegliedert sind und in der Care-Ökonomie tätig sind. Man könnte sie doch zur Familienfreundlichkeit per Weisung zwingen und nicht familienfreundlichen Vereinen die Subventionen streichen. Wäre doch ein Leichtes?
Care-Wirtschaft ist aber aus zweierlei Gründen schon nicht wirklich familienfreundlich, so sehr sie sich auch im Einzelnen anstrengen mögen: Care-Ökonomie ist noch immer typisch weibliche Tätigkeit und als solche schlecht bezahlt. Denn Frauen verdienen weniger, weil sie sogenannte Frauenberufe ergreifen. Dass diese schlechter bezahlt sind, ist ein Widerspruch zu meinem Gerechtigkeits- und Gleichheitsanspruch und entspricht einem patriarchalischen Familienbild. Da versagt die Forderung "Gleiche Arbeit - gleicher Lohn", weil diese "gleiche" Arbeit eben fast nur Frauen machen.
Aber das ist wieder ein anderes Thema.
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- Ausgezeichneter familienfreundlicher Betrieb 2014-2015
- Das "Alles ist möglich"-Mantra ist eine Lüge
- Care-Arbeit im neoliberalen Geschlechterregime
- Care-Ökonomie - Privatisierung als Minenfeld für Genderpolitik?
- «Wir müssen das Patriarchat anzweifeln»
- Mehr dazu auf Google: Familienfreundlichkeit oder Frauenfeindlichkeit?
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- 9.2.15 [Letzte Aktualisierung, online seit 11.9.14]
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