Mittwoch, 3. August 2016

[ #migration ] Die Mär von den vielen Fremdhäßigen in Vorarlberg

"Fremdhäßige", weil sie eine andere Kleidung (Vorarlberger Mundart: "Häß" = Kleidung, Gewand) tragen. 

Vorarlberg (18 Prozent) hat nach Wien (32 Prozent) den größten Anteil mit Bevölkerung mit "migrantischem Hintergrund". Danach kommen die beiden weiteren westlichen Bundesländer Tirol (16 Prozent) und Salzburg (17 Prozent).

Staatsbürger zweiter Klasse? Das Wortpaar "migrantischer Hintergrund" hat den Beigeschmack von Apartheid und tatsächlich dient er meist dazu, die Menschen und selbst die Österreicher auseinander zu dividieren. Denn Fakt ist, dass es selbst in dem seit Jahrhunderten multikulturellen Wien nur 24 Prozent "Ausländer" gibt, in Vorarlberg 14 Prozent, detto in Salzburg und schon in Tirol liegt man mit 12,4 unter dem österreichischen Durchschnitt von 12,5 Prozent. Alle anderen "Fremden" haben eine österreichische Staatsbürgerschaft und nicht wenige der jüngeren davon haben beim österreichischen Bundesheer gedient.

Die in einer globalen Welt dumme Überfremdungsdebatte arbeitet dabei weiter mit falschen Zahlen, denn die Hälfte der im Ausland geborenen Wohnbevölkerung stammt aus EU-Staaten und der Schweiz und Liechtenstein. Dass wir in Vorarlberg weder die Schweizer noch die Liechtensteiner als "Ausländer" wahrnehmen, ist schon aus dem einfachen Grunde erklärbar, dass weit mehr Vorarlberger in diesen Ländern arbeiten und den Vorarlberger Wohlstand schon seit Kriegsende als Grenzgänger sichern. Dass die Bürger der Mitglieder der Europäischen Union auch als "Fremde" bezeichnet werden irritiert. Immerhin hat die österreichische und namentlich auch die Vorarlberger Bevölkerung bei einer Volksabstimmung über den Beitritt zur EU mit einer Zweidrittelmehrheit zugestimmt.


Fremdhäßige. Aber "Fremde" waren in Vorarlberg immer zweigeteilt. Sie sind als Touristen willkommen, wenn sie ihr Geld hier lassen. Wenn sie aber hier arbeiten und zum Bruttosozialprodukt und zur Sicherung unserer Sozialsysteme beitragen, dann ist man an manchen xenophoben Stammtischen und Parteien meist genau der entgegen gesetzten Meinung, auch wenn sie ihren Dreck wegräumen. 

Und das hat auch eine lange Vorarlberger Tradition. Niemand nimmt heute Steirer oder Kärntner in Vorarlberg als "Fremde" oder gar "Ausländer" war. Aber bevor man die türkischen und jugsolawischen Arbeitskräfte seit den 1960er-Jahren für Vorarlbergs Wirtschaft angeworben hatte, wollte die Vorarlberger Landesregierung für diese österreichischen "Nichtvorarlberger", den sog genannten "Fremdhäßigen" (weil sie eine andere Kleidung trugen - Vorarlberger Mundart: "Häß" = Kleidung, Gewand) einen eigenen Lichtbildausweis einführen und sie von der Landesverwaltung mit einem "Alemannen-Erlass" fernhalten. Diskriminierend war damals wie heute das Sprachenverständnis. Der Alemannen-Erlass definierte die Alemannen und Fremden nach ihrem Namen und ihrem Dialekt. 

Tatsache ist, dass Vorarlberg heute längst ein Auswanderungsland ist. Schon die an sich wenigen Studenten kehren nach ihrer Ausbildung häufig nicht mehr nach Vorarlberg zurück. Der Binnenwanderungssaldo (Zu- und Wegzüge zwischen den Bundesländern) ist in Vorarlberg schon mindesten ein Vierteljahrhundert negativ. Allein um diese Abwanderung zu kompensieren braucht Vorarlberg zwingend Zuwanderung. Aber auch ins Ausland wandern die Vorarlberger ab. Während aus Österreich mit einer Bevölkerungszahl von 8,5 Millionen Menschen mit Stand 1.1.2014 nur 5.992 Österreicher ins Ausland verzogen sind, sind es allein in Vorarlberg von 375.000 525 Mitbürger die im Ausland ihr Glück suchen. 


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