Eine Wahlentscheidung ist im Gegensatz zu einfachen politischen Parolen und simplen Kopfsalat auf Plakatwänden das Ergebnis eines hochkomplexen Prozesses der politischen Willensbildung. Weltanschauung, Sozialisation, Werthaltungen, Milieu und vieles andere fließen in das Wahlverhalten ein. Die zunehmende Pluralisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, die Vielfalt der Lebensstile, die Auflösung sozialer Milieus, die Entideologisierung, ... haben berechenbares Wahlverhalten kleiner gemacht. Die Wähler sind beweglicher geworden. Beweglichkeit bedeutet aber mehr als nur Wechselwähler zu sein. Gewechselt wird auch immer häufiger von den Wählern zu den Nichtwählern.
A Krise muaß her. Andererseits wird in der sozialwissenschaftlichen amerikanischen Literatur wieder von "Class-Voting" gesprochen und ist auch hier mit der Krise in manchen politischen Lagern die Hoffnung auf bewusstere, kritischere oder gar klassenbewusste Wähler entstanden. Dass aber eine Krise nicht das bewusstere Wahlverhalten fördert, weiß man spätestens seit der legendären Marienthal-Studie von Marie Jahoda ("Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langdauernder Arbeitslosigkeit"). Die dort festgestellte Resignation und Entpolitisierung großer Teile der Arbeitslosen läuft dem Wunschdenken, dass die Krise Menschen politischer oder gar zu Revolutionären macht, diametral entgegen. Und schon Bruno Kreisky hatte das Wissen darüber: "Und wenn mich einer fragt, wie denn das mit den Schulden ist, dann sag ich ihm das, was ich immer wieder sage: Dass mir ein paar Milliarden mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten als ein paar hunderttausend Arbeitslose mehr bereiten würden."
A Krise muaß her (Text: Wolfgang Teuschl/Musik: Willi Resetarits/Georg Herrnstadt) (2:42)
Unbestritten, wenn auch mit etwas sinkender Tendenz ist, dass Wahlverhalten auch ganz ohne Gene "vererbt" wird, nämlich durch die Primärgruppe Familie. Sie ist nach wie vor der Raum, in dem sich politische Reifungsprozesse abspielen, wo politisches Verhalten gefördert oder unterdrückt wird.
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- Dissertation Michael Bromba: Die soziale Vererbung von politischen Orientierungen – Familiale Binnendynamik und intergenerationale Transmissionen der Parteibindung
- Dissertation Kohler, Ulrich: Der demokratische Klassenkampf - Zum Zusammenhang von Sozialstruktur und Parteipräferenz
- [Google Search] ⇒ Parteipräferenz als Erbschaft
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- 2.2.17 [Letzte Aktualisierung, online seit 24.10.14]
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