Dienstag, 31. Januar 2017

[ #mehr-demokratie ] Parteipräferenz als Erbschaft

Wenn wir in der Wahlzelle ein Kreuzchen machen, dann ist das selten nur Ausdruck vernünftiger Überlegungen. 

Eine Wahlentscheidung ist im Gegensatz zu einfachen politischen Parolen und simplen Kopfsalat auf Plakatwänden das Ergebnis eines hochkomplexen Prozesses der politischen Willensbildung. Weltanschauung, Sozialisation, Werthaltungen, Milieu und vieles andere fließen in das Wahlverhalten ein. Die zunehmende Pluralisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, die Vielfalt der Lebensstile, die Auflösung sozialer Milieus, die Entideologisierung, ... haben berechenbares Wahlverhalten kleiner gemacht. Die Wähler sind beweglicher geworden. Beweglichkeit bedeutet aber mehr als nur Wechselwähler zu sein. Gewechselt wird auch immer häufiger von den Wählern zu den Nichtwählern.

A Krise muaß her. Andererseits wird in der sozialwissenschaftlichen amerikanischen Literatur wieder von "Class-Voting" gesprochen und ist auch hier mit der Krise in manchen politischen Lagern die Hoffnung auf bewusstere, kritischere oder gar klassenbewusste Wähler entstanden.  Dass aber eine Krise nicht das bewusstere  Wahlverhalten fördert, weiß man spätestens seit der legendären Marienthal-Studie von Marie Jahoda ("Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langdauernder Arbeitslosigkeit"). Die dort festgestellte Resignation und Entpolitisierung großer Teile der Arbeitslosen läuft dem Wunschdenken, dass die Krise Menschen politischer oder gar zu Revolutionären macht, diametral entgegen. Und schon Bruno Kreisky hatte das Wissen darüber: "Und wenn mich einer fragt, wie denn das mit den Schulden ist, dann sag ich ihm das, was ich immer wieder sage: Dass mir ein paar Milliarden mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten als ein paar hunderttausend Arbeitslose mehr bereiten würden."


A Krise muaß her (Text: Wolfgang Teuschl/Musik: Willi Resetarits/Georg Herrnstadt) (2:42)


Partei in den Genen. Zu den komplexen sozialen Umwelteinflüssen kommen persönlichkeitsbezogene  Einflussfaktoren dazu. Wie sehr sich Menschen für politisches Geschehen interessieren und wie stark sie sich am politischen Prozess beteiligen, hängt auch von Persönlichkeitseigenschaften ab. Es gibt bereits eine Reihe von Studien, die Politikpräferenzen auch mit Genen, also durch Vererbung begründen wollen: Wenn Persönlichkeitseigenschaften auch genetisch bedingt sind, dann ist auch Wahlverhalten Ausfluss dieser Persönlichkeit.

Unbestritten, wenn auch mit etwas sinkender Tendenz ist, dass Wahlverhalten auch ganz ohne Gene "vererbt" wird, nämlich durch die Primärgruppe Familie. Sie ist nach wie vor der Raum, in dem sich politische Reifungsprozesse abspielen, wo politisches Verhalten gefördert oder unterdrückt wird.


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