"Was ist eigentlich noch sozial an der EU", fragt sich Alexander Schellinger in einer Stude des Friedrich-Ebert-Institutes – und findet nicht viele Antworten. Die soziale Dimension der EU steht am Rande der Bedeutungslosigkeit. Auf praktisch allen Ebenen hat eine systematische Schwächung des sozialen Europas stattgefunden: Ziele, Programme und Instrumente wurden reduziert – und zwar in allen Feldern: von der Beschäftigungspolitik über das Arbeitsrecht bis zu den Arbeitsbeziehungen. Damit fällt die EU hinter bereits erreichte Errungenschaften zurück. Verlierer dieser Entwicklung sind die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften in den Mitgliedstaaten.
- Die soziale Dimension der EU wurde in zwei Stufen grundsätzlich geschwächt: Ende der 1990er Jahre verlor die verbindliche Rechtsetzung durch die unverbindliche Koordinierung nationaler Arbeitsmarktpolitik über die Offene Methode der Koordinierung stark an Bedeutung. Im Zuge der Eurokrise wurde diese Koordinierung in wesentlichen Teilen den Wirtschafts- und Finanzministern übertragen. Heute sind Programmatik und Instrumente der sozialen Dimension ausgehöhlt und spielen in der EU-Politik eine Nebenrolle.
- Große Verlierer dieser Entwicklung sind die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften in den Mitgliedstaaten. Seit Ende der 1990er Jahre wird das europäische Arbeitsrecht abgewickelt. Durch den sozialen Dialog auf europäischer Ebene, einst Hoffnungsträger für ein Soziales Europa, kommen keine verbindlichen Abkommen mehr zustande. Über das Europäische Semester kann nicht nur empfindlich in die Tarifautonomie eingegriffen werden, eine systematische Beteiligung der Gewerkschaften am Abstimmungsprozess wurde und wird unterbunden.
- Im Rahmen des bestehenden Vertragswerks ist eine Weiterentwicklung der sozialen Dimension schwierig, mit Einschränkungen jedoch möglich: Die Gleichstellung wirtschafts- und sozialpolitischer Akteure im Europäischen Semester, der Einsatz des Verfahrens der Verstärkten Zusammenarbeit und die Stärkung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften durch die Mitbestimmung und den sozialen Dialog können Eckpunkte für eine nachhaltige Neuausrichtung bilden. Dafür öffnet sich mit progressiven Regierungen in den Mitgliedstaaten und einer politisch abhängigen EU-Kommission ein window of opportunity.
Die Autoren. Dr. Alexander Schellinger hat in New York und London Politikwissenschaft studiert und wurde an der Universität Bremen zur Europäischen Beschäftigungspolitik promoviert. 2014 war er als Referent im Bundesministerium für Arbeit und Soziales tätig. Seit Dezember 2014 arbeitet er als Referent bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Im Herbst erscheint sein Buch: "EU Labor Market Policy: Ideas, Thought Communities, and Policy Change" bei Palgrave Macmillan.
Dr. Michael Dauderstädt war bis 2013 Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung;
Cem Keltek studiert Wirtschaftswissenschaften und Mathematik und ist Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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- FES - Internationale Politikanalyse: Wie sozial ist die EU? Eine Perspektive für die soziale Dimension - ALEXANDER SCHELLINGER - April 2015
- WISO-Direkt: Das soziale Europa in der Krise- Michael Dauderstädt und Cem Keltek - Analysen und Konzepte zur Wirtschafts- und Sozialpolitik - Mai 2015
- AUF EINEN BLICK - FUNKTIONSWEISE DER EU & MEHR
- Mehr dazu auf Google: Was ist noch sozial an der EU?
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- 14.12.15 [Letzte Aktualisierung, online seit 4.5.15]
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