Freitag, 11. August 2017

[ #jugend ] Migration und Jugenddelinquenz - Delinquenz ist keine Frage der Herkunft

Ein Gutachten im Auftrag des Mediendienstes Integration von Dr. Christian Walburg (Institut für Kriminalwissenschaften, Universität Münster, Berlin, Juli 2014)
  • Grundsätzliche Unterschiede im Delinquenzverhalten zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund werden nicht belegt.
  • Unterscheidet man nach Deliktbereichen fällt auf: Migrantenjugendliche berichten in Befragungen insgesamt ähnlich häufig wie Jugendliche ohne Migrationshintergrund von "jugendtypischer Bagatelldelinquenz" wie Sachbeschädigungen oder Diebstahl.
  • Jugendliche mit Migrationshintergrund berichten nach der Mehrzahl der Studien häufiger von Gewaltdelikten und sind hier vermehrt unter den Mehrfachgewalttätern zu finden – wobei die Gewaltbelastung bislang tendenziell zunahm, je länger die familiäre Migrationsgeschichte zurücklag.
  • Ein Zusammenhang zwischen erhöhter Gewaltbereitschaft und einer ethnischen Herkunft oder Religionszugehörigkeit wird durch Studien nicht belegt. Wenn die Befragungen höhere Anteile von Gewalttätern ergeben haben, traf dies meist auf alle größeren Herkunftsgruppen zu.
  • Speziell für die Nachkommen der sogenannten Gastarbeiter fanden sich in einigen neueren Studien Hinweise darauf, dass Unterschiede zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund geringer werden oder verschwinden.
  • Zahlreiche Studien zeigen, dass die Religion bei jungen Muslimen mitunter soziale Bindungen und Kontrolle fördert. Die Forscher richten ihren Blick dabei unter anderem auf das Freizeitverhalten: Weniger Alkoholkonsum und weniger Nachtleben verringern demnach die Delinquenzrisiken in manchen Migrantengruppen deutlich.
  • Eine stärkere Zustimmung zu Gewalt hat demnach in der Regel mit einer größeren sozialen Randständigkeit (Marginalisierung) zu tun. So verschwinden beispielsweise die Unterschiede bei der Gewalttätigkeit zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund nahezu, wenn sie die gleichen Bildungschancen haben.

Aus der Einleitung. In vielen klassischen und neueren Einwanderungsgesellschaften gelten Migranten und deren  Nachkommen als besondere Problemgruppe, wenn es um Kriminalität geht. Dies zeigt sich auch in Umfrageergebnissen, wonach in der Bevölkerung die Vorstellung weit verbreitet ist,
dass Menschen ausländischer Herkunft häufiger Straftaten begehen als Menschen ohne Migrationshintergrund.

Die vermeintlich problematische „Ausländerkriminalität“ dient dementsprechend vielen Verfechtern einer restriktiven Zuwanderungspolitik als  Hauptargument. Da sich mit Kriminalität besonders leicht Emotionen schüren lassen, ist das Thema europaweit bei rechtspopulistischen Parteien beliebt. Speziell in Wahlkampfzeiten wird es zuweilen aber auch von Angehörigen des politischen Mainstreams gezielt genutzt.

Dabei kann, anders als mitunter dargestellt, von einer Tabuisierung des Themas keine Rede sein: Die Debatte über eine mögliche erhöhte Kriminalitätsbelastung – vor allem bei  Jugendlichen aus Migrantenfamilien – lässt sich in Deutschland mittlerweile über rund vier Jahrzehnte zurückverfolgen. Sie betraf zunächst die Kinder der sogenannten Gastarbeiter.

Im Laufe der Jahre entdeckte man dann auch Jugendliche aus Flüchtlings- und Aussiedlerfamilien als neue „Problemgruppen“. Im letzten Jahrzehnt rückten schließlich speziell muslimische Migrantenjugendliche in den Mittelpunkt des Interesses. Parallel dazu ließ sich im öffentlichen Diskurs eine Verschiebung hin zu kulturalistischen Deutungsmustern für delinquentes und gewalttätiges Verhalten ausmachen.

Auch die kriminologische Forschung befasst sich seit Jahrzehnten mit möglichen Zusammenhängen zwischen Migration und Jugenddelinquenz. Dabei wurden einige Stereotype widerlegt oder jedenfalls relativiert. Zum Teil weisen die Forschungen aber auch auf spezifische, mit Migration verbundene Risiken hin, weshalb Jugendliche aus Migrantenfamilien zuweilen, in wohlfahrtsstaatlicher Diktion, als „unsere größten Sorgenkinder“, manchmal ungleich martialischer gar als „soziale Zeitbomben“ bezeichnet wurden.

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  Ein Blick auf den Inhalt des Gutachtens:
1. Einleitung 3
2. Wirkung von Medienberichterstattung auf die Wahrnehmung
 von Migration und Kriminalität  4
3. Forschungsstand zu Zusammenhängen zwischen Migration
 und (Jugend-)Delinquenz  5
3.1. Vergleich der Delinquenzbelastung unter Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund 6
3.2. Ursachenzusammenhänge 13
4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 18

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