Donnerstag, 9. April 2020

[ #wohnbau ] Nachhaltige Siedlungsentwicklung durch genossenschaftlichen Wohnbau


Ein Schweizer Forschungsprojekt empfiehlt Siedlungen und Infrastrukturen ganzheitlich weiter zu entwickeln. Ein Ansatz, der nicht nur bei den Nachbarn beachtet werden sollte, der in weiten Bereichen auch hier zur Geltung kommen sollte, gerade in Vorarlberg, dessen Entwicklung den Schweizern in vielerlei Hinsicht nahe steht.

Erst zaghaft und nur unvollständig werden in der Schweiz -  wie bei uns - Siedlung, Infrastruktur und Landschaft als Gesamtes behandelt und weiterentwickelt. Dies beeinträchtigt die Lebensqualität und verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten. Zu diesem Schluss kommt das Nationale Forschungsprogramm "Nachhaltige Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung".

Immer dichter drängen sich Städte, Agglomerationen, Dörfer, Siedlungen, Industriegebiete, Verkehrswege und Infrastrukturanlagen. Besonders das Schweizer Mittelland ist zur Mittellandstadt geworden. Dies verändert das Gesicht der Schweiz markant und bringt auch zahlreiche Nachteile mit sich. Denn der Verbrauch von Ressourcen nimmt enorm zu, gleichzeitig steigt die Belastung für Umwelt und Gesundheit.

Mit einem Flächenverbrauch von rund einem Quadratmeter pro Sekunde schreitet die Zersiedelung der Schweiz seit Jahrzehnten unvermindert voran. Sie greift zunehmend von den Agglomerationen in die Alpentäler hinein. Die Zersiedelung verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten und verhindert, dass Ressourcen effizient eingesetzt werden.

Entwicklungspotenziale nutzen. Die Siedlungsentwicklung sollte räumlich begrenzt und bestehende Siedlungen besser koordiniert genutzt werden. Erhebliche Nutzungspotenziale bieten brachliegende Industrie- und Bahnareale, von der Armee nicht mehr beanspruchte stadtnahe Liegenschaften und Waffenplätze, ungenügend genutzte und wenig attraktive Siedlungen sowie der Untergrund. Dieser bietet nicht nur Raum für Gebäude und Infrastrukturen, sondern dient auch der Energie- und Wassernutzung und weiteren Zwecken. Eine umfassende Koordination der Untergrundnutzungen ist eine zwingende und dringliche Voraussetzung für seine verstärkte Nutzung.

Um diese Areale nachhaltig nutzen zu können, darf man sie nicht nur als Flächenreserven betrachten. Vielmehr müssen sie in den Dienst eines Wandels gestellt werden, welcher der Urbanität grosse Bedeutung zumisst. Dazu gehören neben der gestalterischen Qualität ein qualitativ hochwertiges Angebot an Freiräumen und Grünflächen sowie eine optimale Ausrichtung auf den öffentlichen Verkehr.

Das Forschungsprogramm "Nachhaltige Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung" empfiehlt daher Städten und Gemeinden, Planungs- und Bauprojekte über die Bewilligungsphase hinaus intensiver zu begleiten.

Wohnbaupolitik überdenken. Die Attraktivitätssteigerung bestehender Siedlungen birgt die Gefahr der sozialen Verdrängung. Wie die wissenschaftlichen Forschungsarbeiten zeigen, richten sich die in jüngster Zeit realisierten Wohnbauten in den Kernstädten grösstenteils an einkommensstarke, mobile Schichten, während einkommensschwache Gruppen und Familien verdrängt werden. Um dies zu verhindern, ist eine aktive Wohnbaupolitik durch die öffentliche Hand unabdingbar. Diese Politik kann auf der Basis von Nutzungsplanung, aktivem Anwerben und Begleiten von Investoren, aber auch durch die Unterstützung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus erfolgen. Ein grosses Spektrum an unterschiedlichen Investoren bietet dabei am ehesten Gewähr für ein breites Angebot auf dem Wohnungsmarkt.

Sozial-Demografie. In dem Projekt wurde festgestellt, dass die sozialdemografischen Aspekte in den kommunalen Planungen zu wenig präsent sind. Um den sich wandelnden Bedürfnissen verschiedener Gruppen wie etwa älterer Menschen gerecht zu werden, empfiehlt das NFP 54, vermehrt departementsübergreifende Verwaltungsstrukturen für die Siedlungsentwicklung zu schaffen, um damit die sektorielle Sichtweise zu überwinden.

Infrastrukturkonzept. "Die Schweiz braucht ein nationales Infrastrukturkonzept" wird gefordert. Eine sektorenübergreifende Planung ist auch im Bereich der technischen Infrastrukturen erforderlich. Noch immer werden Strassen, Bahnen, Gas-, Wasser- und Stromversorgung oder Kanalisation weitgehend unabhängig voneinander geplant und erstellt. Zwar wurden – unter anderem mit den Agglomerationsprogrammen – Fortschritte erzielt, doch sind diese Anstrengungen weiter voranzutreiben. Das nationale Schweizer Forschungsprogramm "Nachhaltige Siedlungsentwicklung" schlägt die Erarbeitung eines nationalen Infrastrukturkonzepts vor, das für jeden Sektor und jede geografische Region eine Strategie festlegt für die Instandhaltung und den Ausbau, aber auch für den Rückbau der technischen Infrastrukturen. In diesem Bereich besteht in den kommenden beiden Jahrzehnten ein Finanzbedarf von jährlich rund 30 Milliarden Franken, wie eine Fokusstudie dazu zeigt.

Wissensressourcen. Wissen ist die zentrale Ressource für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Siedlungen und Infrastrukturen. Für deren Bewirtschaftung herrscht heute ein Mangel an Fachkräften. Deshalb ist eine stark interdisziplinär orientierte Ausbildung in den Bereichen Technik, Städtebau, Wirtschaft und Soziales erforderlich. Die Hochschulen und Berufsverbände sollten das Bildungs- und Weiterbildungsangebot in diesem Sinne erweitern. Zudem ist die nachhaltige Entwicklung des Lebensraums und der bebauten Umwelt auch in der Volkschule zu behandeln.
Nachhaltigkeit. Das Projekt hat als eine Kernforderung oder als Kernziel die Nachhaltigkeit im Auge. Daher ist es sinnvoll und außerordentlich wichtig, Nachhaltigkeit auch zu definieren und nicht in einer alltäglichen Leerformel von Sonntagsreden untergehen zu lassen.
Nachhaltigkeit bedeutet, dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne dabei den zukünftigen Generationen diese Möglichkeit zu nehmen. Deshalb stützt sich eine nachhaltige Entwicklung auf drei Säulen: ökologische Verantwortung, ökonomische Kapazität und soziale Solidarität. Dies bedeutet, dass bei einer nachhaltigen Entwicklung jede der drei Säulen wachsen kann, aber ohne einen anderen Bereich dadurch zu schädigen.
  • Ökologische Verantwortung. Ökologische Verantwortung ist der Schutz der Umwelt vor Schäden und Beeinträchtigungen, wie etwa Verschmutzung, Lärm, globale Erwärmung und übermässiger Flächenverbrauch. Im Mittelpunkt stehen dabei das Lebensumfeld und die Gesundheit der Menschen sowie eine möglichst intakte Natur.
  • Ökonomische Kapazität. Eine Nachhaltigkeit, die sich nur auf den Umweltschutz konzentriert, zielt an der wirtschaftlichen Realität vorbei. Darum soll sich eine nachhaltige Entwicklung auch finanziell lohnen. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sollten sich die Waage halten.
  • Soziale Solidarität. Die Vorteile einer nachhaltigen Entwicklung sollen nicht nur jenen zugute kommen, die es sich leisten können, sondern allen Mitgliedern der Gesellschaft zur Verfügung stehen. In diesem Sinn stützt sich die Nachhaltigkeit als dritte Säule auf die soziale Solidarität.
NFP. Im Rahmen eines schweizerischen "Nationalen Forschungsprogramms (NFP)" werden Forschungsprojekte durchgeführt, die einen Beitrag zur Lösung wichtiger Gegenwartsprobleme leisten. Die Fragestellung und Schwerpunkte eines NFP bestimmt der Bundesrat, der den Schweizerischen Nationalfonds mit der Durchführung der NFP beauftragt.  In einem NFP sollen in verschiedenen Disziplinen und Institutionen koordinierte und auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtete Forschungsprojekte durchgeführt werden, die folgende drei Bedingungen erfüllen: Nationale Forschungsprogramme behandeln Themen von gesamtschweizerischer Bedeutung, betreiben keine Grundlagenforschung, Forschung der Verwaltung oder industrienahe Forschung, und sollten innerhalb von etwa fünf Jahren zu Forschungsergebnissen führen, die für die Praxis verwertbar sind.


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