Freitag, 20. April 2018

[ #zeitpolitik ] Wer hat an der Uhr gedreht: Schlaftrunkene Politik?


Am 8. Februar 2018 forderte das Europaparlament die Europäische Kommission mit 384:153 Stimmen dazu auf, eine „gründliche Bewertung der Richtlinie über die Regelung der Sommerzeit vorzunehmen und gegebenenfalls einen Vorschlag zu ihrer Überarbeitung vorzulegen“.
Die Sommerzeit ist eine Erfindung des Krieges. Zu Kriegszeiten herrscht wenig Demokratie und Mitbestimmung, daher konnte man sie dort prächtig einführen, galt es doch damit den Feind zu besiegen.

Mit der Zeitumstellung "Sommerzeit" wird in die Persönlichkeitsrechte der Menschen besonders intensiv eingegriffen. Das Versprechen von einer Stunde mehr Helligkeit lässt sich allerdings nicht halten. Die Sonne scheint mit oder ohne Sommerzeit immer gleich lang. Nur die Biergärten haben länger offen. Das mag für manchen gemütlichen Abend schön sein, aber für die Nachbarn oft eine zusätzliche Belastung.

Energie. Einsparungen an Energie hat die Sommerzeit keine gebracht. Wie auch? Die Nachteile sind evident. Ohne Arbeitnehmer und Interessenvertreter zu fragen, wird ihre Arbeitszeit einmal im Jahr vorverlegt und einmal wieder zurückgelegt. Dank der EU endet jetzt die Sommerzeit überhaupt erst Ende Oktober. Ein gutes Beispiel für Willkür: Man erklärt Frühjahr und Herbst zum Sommer. Warum nicht gleich auch den Winter? Dann würde man sich wenigstens die Umstellung ersparen.

Bürokratieuhr. Wird jemand geboren oder stirbt jemand am Ende der Sommerzeit, dann hat die Bürokratie eigene Zeitmessungen. Das Zeitzählungsgesetz bestimmt: Bei Beendigung der Sommerzeit ist die letzte Stunde doppelt zu zählen. Die erste Stunde ist mit dem Zusatz A, die zweite mit dem Zusatz B zu zählen.


Mitternachtsschule. In Österreich beginnen die Schulen oft schon vor acht Uhr. Da heisst es für Mütter und Kinder früh aufstehen. Wenn die Schüler nicht am Schulort wohnen, dann kann das nach Normalzeit (MEZ, in Österreich seit 1893) schon mal fünf Uhr früh sein, wenn sie pünktlich sein wollen. Die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) entspricht der mittleren Sonnenzeit auf dem Längengrad 15° Ost. Dort liegt in Österreich etwa Gmünd im Waldviertel. In Gmünd war heute 26. Oktober 2014 der Sonnenaufgang um 6:38, in Dornbirn um 6:56. Schon nach der Normalzeit (Winterzeit, MEZ) stehen wir Vorarlberger um eine halbe Stunde früher auf als es der inneren Uhr entspräche.

Den schiefen österreichischen Pisaturm stützt das nicht, denn es wäre an sich schon sinnvoll, die Schule später beginnen zu lassen. Nach der Leistungskurve wäre eigentlich halbneun (MEZ) gut, neun Uhr sogar noch besser. Ab dem Alter von etwa 12 Jahren wird es für Kinder und Jugendliche ohneides immer schwerer früh aufzustehen und zur Schule zu gehen.

Schulkinder leiden darunter. Denn wenn um acht Uhr morgens die Schule beginnt, sind sie so leistungsfähig wie um Mitternacht. Studien belegen, dass ein Großteil der Schüler unter chronischem Schlafmangel leidet. Mit früherem Zubettgehen ist dieses Problem nicht lösbar, denn auch bei Kindern lässt sich die innere Uhr nicht ohne weiteres umstellen.
Es wäre sinnvoll, die Schule später beginnen zu lassen. Da die Leistungskurve relativ rasch ansteigt, wäre halbneun gut, neun Uhr aber noch besser. Kleinere Kinder können am frühen Morgen schon herumtoben und verkraften einen früheren Schulbeginn besser. Doch mit im Alter von etwa 12 Jahren stellt sich das um. Für die Kinder und Jugendlichen wird es dann immer schwerer früh aufzustehen und zur Schule zu gehen. 
Schlaftrunkene Politik. Aber Österreich hat seine Zeitmessung in die Hände der EU gelegt. Ganz widerstandslos, auch ohne Einspruch der Arbeitnehmervertretungen, wiewohl damit auch in die Arbeitsverträge der Arbeitnehmer eingegriffen wird, obwohl es weder natürlicher Tierhaltung in der Landwirtschaft, weder der Gesundheit der Arbeitnehmer und noch weniger der Vernunft entspricht. Dort wo individuell das Bedürnis nach Sommerzeit betrieblich oder privat entsteht, hätte man das dem individuellen oder kollektiven Arbeitsvertragsrecht überlassen können.

Die Schulen, Kinder und Eltern hat man ebenfalls diesem Diktat untergeordnet. Allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz. Wie auch immer - für die Schulen könnte man es ändern. Die Gemeinden sind für die Pflichtschulen Schulerhalter und sie könnten, da etwas ganz autonom ändern. Und könnten auch die Situation in den öffentlichen Verkehrsmitteln verbessern. Manchmal sind die Kinder am Morgen in den Dornbirner Bussen gestapelt wie die Heringe. Manchmal bekommen sie gar keinen Platz, wiewohl sie ja bereits im Voraus bezahlt haben und kommen zu spät zur Schule.

Jodok Fink. Es war nicht immer so. Als die deutsch-österreichische Staatsregierung - mit den Folgen des von den Habsburgern hinterlassenen Desasters kämpfend für 1919 erneut eine Sommerzeit anordnete, beschlossen der Vorarlberg Landesrat (= Landtag) und die schwarzrote Vorarlberger Landesregierung, sie in Vorarlberg nicht einzuführen. "Mit Einführung bei uns gar keine Einsparungen verbunden",telegrafierten sie der Staatskanzlei. Als die Staatsregierung daraufhin ihre Vollzugsanweisung zurück nahm, telegrafierte Vizekanzler Jodok Fink nach Vorarlberg zurück: "Sommerzeit ist umgebracht."  1920 galt in Vorarlberg eine andere Zeit als in Österreich. Nur die Postämter mussten die "Bundeszeit" beachten. Ab 1921 verzichtete dann auch Österreich auf die Sommerzeit.

Wer Natur, Gesundheitspolitk, Bildungspolitik und Arbeitnehmerschutz ernst nimmt, sollte nicht eine Sommerzeit erfinden, sondern sich nach der Uhr der Menschen und der Natur richten.

Aber das ist wohl wieder eine andere Geschichte ...

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