Freitag, 6. August 2021

[ #soziale-sicherheit ] Betteln in Österreich

Bettlerin-Skulptur, Santo Spirito Hospital, Rom

Die aktuelle beschämende Vorarlberger Bekämpfung eines angeblichen  "Bettlerunwesens" soll hier mit zwei Materialien versachlicht und von Mythen befreit werden. 

Die ausschließlich ordnungspolitisch motivierten Maßnahmen Vorarlbergs stehen Haltungen engagierter Bürger und der Zivilgesellschaft gegenüber, die humanitäre Gesichtspunkte hervorheben und mit menschenrechtlichen Erwägungen argumentieren, welche die Lebens- und Bedarfslagen dieser Notreisenden ernst zu nehmen.

Betteln in Österreich. Zuerst einmal die  Diplomarbeit von Ferdinand Koller (Betteln in Österreich. Eine Untersuchung aus theologisch-ethischer Perspektive) zur Erstrebung des Magisters der Theologie (Mag. theol.) an der Universität Wien aus dem Jahre 2009. Sie stellt die Frage nach dem Umgang mit bettelnden Menschen in Österreich und legt ihren Schwerpunkt dabei auf behördliche Maßnahmen und die Unterstützung bettelnder Menschen durch karitative Organisationen.

Aus der Sicht einer theologischen Ethik wird dieses Vorgehen beurteilt und mögliche Wege eines christlich verantwortbaren Umgangs mit bettelnden Menschen werden aufgezeigt. Dabei soll es weniger darum gehen, konkrete Handlungsanweisungen zu geben, sondern darum, Grundhaltungen aufzuzeigen, mit denen der Herausforderung, die bettelnde Menschen an die Gesellschaft stellen, begegnet werden soll.

Notreisende und BettelMigrantInnen. Die zweite Arbeit ist eine über Notreisende und BettelMigrantInnen in Salzburg aus dem Jahre 2013. Sie raumt mit ihrer Wissenschaftlichkeit und der damit notwendigen Sachlichkeit mit einer Reihe von Mythen auf. Die Arbeit unterscheidet bereits einleitend zwischen Wanderarmen einerseits und Notreisenden andererseits deutlich. Während Wanderarme aus den süd-östlichen EU-Ländern bereits seit Jahren (z.T. seit dem Fall des Eisernen Vorhangs) in Europa unterwegs und ihre Rückkehroptionen in die Herkunftsregionen sehr eingeschränkt bis nicht mehr vorhanden sind, versuchen Notreisende, im Rahmen kurzfristiger aber wiederholter Aufenthalte in Städten der westlichen EU-Staaten durch Betteln oder Gelegenheitsarbeiten finanzielle Mittel für das Überleben in den Herkunftsregionen zu lukrieren. Die Arbeit kann auch für die Bettelsituation in Vorarlberg geeignetes Material liefern.


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Inhaltsverzeichnis: Betteln in Österreich
1. Einleitung  1
1.1. Stand der Forschung  1
1.2. Fragestellung  2
1.3. Vorgehensweise 2
1.4. Was wird unter „Betteln“ verstanden?  5
1.4.1. Definition 5
1.4.2. Formen des Bettelns  5
2. Kurze Sozialgeschichte des Bettelns 7
2.1. Der Bettler als Heilsbringer – christliche Antike und Mittelalter  7
2.1.1. Die Almosenlehre des Thomas von Aquin 8
2.2. Bettler im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit  10
2.3. Bettler im 17. und 18. Jahrhundert  13
2.4. Bettler im 20. Jahrhundert  16
2.5. Zusammenfassung  19
3. Wie geht unsere Gesellschaft mit bettelnden Menschen um? - Die aktuelle Situation in
Österreich  21
3.1. Bettelnde Menschen in Österreich. 21
3.2. Bettelnde Menschen im öffentlichen Diskurs  23
3.2.1. Politikum „Bettler“: Die Positionen der Parteien zum Thema Betteln  23
3.2.2. Bettelnde Menschen in den Medien  26
3.2.3. Die „Bettlerdurchsage“ der Wiener Linien  26
3.2.4. Kirchliche Stellungnahmen  27
3.3. Reaktionen seitens der Behörden – Gesetzliche Regelungen 28
3.3.1. Allgemeine Bettelverbote 29
3.3.2. Spezifische Bettelverbote  31
3.3.3. Kommentar zu den einzelnen Tatbeständen 33
3.3.3.1. Der Tatbestand „Betteln“ in allgemeinen Bettelverboten  33
3.3.3.2. Aufdringliches und aggressives Betteln 34
3.3.3.3. Betteln als Beteiligter einer organisierten Gruppe . 39
3.3.3.4. Betteln mit Kindern bzw. Ausschicken von Kindern zum Betteln. 41
3.3.3.5. Geldstrafen für Bettler?. 43
3.3.4. Sonstige Maßnahmen zur Einschränkung des Bettelns 43
3.3.4.1. Fremdengesetz 43
3.3.4.2. Tatbestand „unbegründetes Stehenbleiben“ - § 78 StVO als Mittel zur
Kontrolle des öffentlichen Raumes 44
3.3.4.3. § 81 Sicherheitspolizeigesetz 44
3.3.4.4. Bettelverbote in öffentlichen Verkehrsmitteln 45
3.3.5. Argumente und Beweggründe für die Einführung von Bettelverboten  45
3.3.5.1. Belästigung/Irritation der Bevölkerung  45
3.3.5.2. In Österreich hat es niemand nötig, betteln zu gehen 45
3.3.5.3. Bettelverbote als Schutzmaßnahme vor „Bettelkriminalität“ und
Ausbeutung 46
3.3.5.4. Bettelnde Menschen stören das Stadtbild und die Wirtschaft 46
3.3.5.5. Fremdenfeindlichkeit/Antiziganismus 49
3.4. Die Projekte der Vinzenzgemeinschaft Graz-Eggenberg 49
3.4.1. VinziNest – Notschlafstelle für Obdachlose aus dem Ausland 50
3.4.2. VinziPasta in Hostice  50
3.5. Zusammenfassung 50
4. Betteln aus Sicht einer theologischen Ethik54
4.1. Betteln als Grundrecht der Person 54
4.1.1. Die Freiheit der Person in Artikel 8 der Europäischen
Menschenrechtskonvention 54
4.1.2. Das Recht auf freie Gestaltung der Lebensführung – Betteln als (letzte)
Möglichkeit zum Erwerb des Lebensunterhalts 55
4.2. Zum Helfen verpflichtet?  57
4.2.1. Anthropologische Vorbemerkung  57
4.2.2. Exkurs: Das Verbot der Gleichgültigkeit gegen fremde Not bei Kant  57
4.3. Spenden an bettelnde Menschen? – Zur Funktion des Almosens in der
Gegenwart  59
4.3.1. Die kirchliche Lehrmeinung zum Almosen  59
4.3.2. Das Almosen als berechtigte Form der Hilfeleistung? 60
4.4. Solidaritätspflicht gegenüber bettelnden Menschen . 63
4.4.1. Zum Begriff Solidarität  63
4.4.1.1. Empirisch-deskriptive und normativ-evaluative Solidarität . 64
4.4.1.2. Verdienstlich oder verpflichtend?  64
4.4.1.3. Der Bezug auf das Gemeinwohl und die soziale Gerechtigkeit 65
4.4.1.4. Auf Gerechtigkeit bezogene Solidarität und Nächstenliebe  66
4.4.1.5. Die (vorrangige) Option für die Armen 67
4.4.1.6. Pro-Solidarität und Con-Solidarität 67
4.4.1.7. Universalität und Parteilichkeit  68
4.4.1.8. Zusammenfassung: Konkretisierung des Solidaritätsbegriffs 69
4.4.2. Kriterien für solidarisches Handeln 69
4.4.3. Solidarisches Handeln mit/für bettelnde(n) Menschen  71
4.5. Option für die Armen? Die Kirche(n) im Einsatz für bettelnde Menschen 74
5. Fazit 76
Abkürzungsverzeichnis  78
Quellen  79
Literatur. 83
Anhang  89

Inhaltsverzeichnis: Notreisende und BettelMigrantInnen in Salzburg

Gliederung
Vorwort 6
Themenstellung, Ausgangslage und verwendete Begriffe 6
Aktueller Diskurs über Armuts-Wandernde/Notreisende in den Zielländern von
Armuts-Wanderungen und temporären Notreisen 8
Wie schaut es in anderen Bundesländern & Landeshauptstädten aus? 9
Rahmenbedingungen, Auftragslage und methodische Eckdaten dieser Erhebung 11

1. Teil Kernergebnisse der Erhebungen des Ausmaßes der Notreisen / BettelMigration / temporärer Arbeitsmigration in Salzburg 13
 Salzburg: eine Destination für Notreisen und Wanderarmut 13
 Quantität und Profil der Notreisenden / Wanderarmen in Salzburg 14
 Geografischer und sozio-ökonomischer Hintergrund der Notreisenden 19
 Verwandtschaftliche oder nachbarschaftliche Organisationsmuster 24
 Nötige Maßnahmen in der Herkunftsregion 25
 Was macht Salzburg für Notreisen aus dem Südosten so attraktiv? 26
 Verkehrsmittel der Wahl: Pkw oder Bahn 29
 Die Kosten der Anreise 30
 Die Aufnahme in Salzburg 32
 Vom Überleben in Salzburg 33
 Mitziehende Minderjährige auf Notreise 36
 Leistungsansprüche auf Soziale Dienste / Hilfe der Notreisenden 37
Exkurs Formelle und informelle (Winter-)Infrastruktur für Notreisende 38
 Kurzvorstellung der formellen und informellen Angebote 40
 Eingeschränkte Ressourcen bestimmen das Angebot fürNotreisende 46
 Kenntnis vorhandener Angebote und Nutzung von Sozialeinrichtungen 48

2. Teil Soziale Aspekte der Notreisen 52
 Erfahrungshintergrund in Bezug auf Notreisen 55
 Zwischen Betteln und (Gelegenheits- oder Schwarz)Arbeit 58
 Gelegenheitsarbeiten / Verkauf von Zeitungen / Arbeitsstrich 60
 Betteln 62
 Und was verdient eine BettlerIn? 63
 Zugang zum Arbeitsmarkt 65
 Sonderfall: Straßenmusik 66
 Mangelnde bis fehlende schulische und berufliche Bildung 68
 Mangelhafte bis fehlende Sprachkenntnisse 72
 Fehlende berufliche Qualifikation / Praxis 74
 Die Hoffnung stirbt zuletzt 76
 Perspektive Arbeitsmigration und dauerhafte Ansiedlung in Salzburg 78
 Gesundheitliche Belastungen und fehlende medizinische Versorgung 81
 Frauenspezifische Aspekte 83
 Rückkehrwunsch und/oder realistische Rückkehroption 85

3. Teil Schlussfolgerungen und Maßnahmenempfehlungen 89
 Mythen und Vorurteile 92
 Die Wirklichkeit hinter Mythen und kolportierten Unterstellungen 93
 Mythos „Sozialtourismus“ 94
 Perspektiven von Notreisen, Bettel-Migration und/oder Wanderarmut 96
 Perspektiven für eine politische Lösung der Notreise-Problematik 100
 Was tun? Schlussfolgerungen und Maßnahmenempfehlungen 103

Anhang 1 Tabellarischer Überblick über die Kernergebnisse 105
Anhang 2 Interviewleitfaden der zweiten Interviewschleife 111
Anhang 3 Literatur und Materialien 118

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